Che successo! 12. Gesamtrang für Maren in Florenz!
Wenn man an Florenz denkt, dann hat jeder so seine eigenen Vorstellungen. Den meisten kommt sofort die kunstgeschichtliche Bedeutung der Stadt in den Sinn, italienische Renaissance, die Paläste der Medici, die Ponte Vecchio und natürlich David, die Marmorstatue von Michelangelo inklusive nacktem Knackarsch. Obwohl das Original gar nicht in der Innenstadt steht, ist auch die nahezu identische Kopie sehenswert, vor allem für Frau. Die Stadt hat Flair, keine Frage, aber die Stadt hat auch Millionen von Touristen, dank Flixbus und Co werden es noch mehr, und deshalb meide ich diese Stadt doch eher. Der Grund, warum ich zum wasweissichwievieltem Male in der toskanischen Metropole war: Der 34. Florenz Marathon!
Zu 8 nahmen wir die Herausforderung an und machten uns 2 Tage zuvor auf den Weg in die Toskana, allerdings nicht direkt nach Florenz, sondern nach Lucca, gerade mal 40 Minuten entfernt und wesentlich angenehmer als die Metropole am Arno. Mit dabei: Maren Tritschler, mit dem Ziel die 3-Stunden zu knacken, Gerd Müller, Wolfgang Hauch, Rob Noble mit Frau Melissa, Sonja Grässlin vom LSVB und Jean Matscher, alle mit der Absicht, einen möglichst guten Marathon zu laufen und natürlich die Strecke zu geniessen. Aber auch Lucca erlebt einen regen Touristenzuwachs und im Sommer kann das ganz schön nerven, aber wir haben November und da sind wir gefühlt die einzigen Nicht-Lucchesen. Zudem sind hier meine italienischen Freunde zu Hause, es wäre nicht zu vertreten, im nahen Florenz zu übernachten.
Am Vortag des Marathons ging es, nach einer wunderschönen Aufwärmrunde auf der alten Stadtmauer in Lucca, gleich mal in die Hauptstadt der Toskana, die Startnummern mussten abgeholt werden. Von den 10000 Teilnehmern kamen mindestens 9999 zum gleichen Zeitpunkt auf die genau diese Idee, es dauerte. Aber in Italien nimmt man das mit einer gewissen Gelassenheit und so liess sich sogar Wolle glücklicherweise davon anstecken. Das Wetter wäre an diesem Tag für einen Marathon nahezu perfekt, 17 Grad, bewölkt und trocken. In der Stadt nahmen wir immer wieder eine dünne gelbe Linie war, die Streckenmarkierung der 42.195 Kilometer des nächsten Tages!
8 Grad und Starkregen, ein Horrorszenario für einen Marathonläufer! Genau so war es am Start zu unserer Fahrt ins benachbarte Florenz vor unserer Unterkunft an diesem sehr frühen Sonntagmorgen. Auf der Autobahn bekamen wir dann so richtig von oben eingeschenkt, die Scheibenwischer unseres modernen VW-Busses kamen trotz Hypertronic 3GGS Superkompension Megafiltrurbo inklusive Antirutsch-DSDR nicht mehr nach, das Wasser von der Scheibe zu befördern. Die Stimmung im Bus entsprechend, Totenstille, obwohl niemand schlief, alle waren nur geschockt.
Zum Glück liegt Florenz ja 40 Minuten von Lucca entfernt, und da kann sich sogar das Wetter schon mal ändern, wäre nicht das erste Mal, dass ich das erleben würde. Als wir Prato passieren sieht man am Horizont einen hellen Streifen, genau über Florenz! Und tatsächlich, 10km vor der heutigen Marathonstadt stoppt der Regen und die Strasse wird trocken! 12 Grad, das ist nahezu perfekt.
Knapp 1 Stunde später stehe ich mit Maren, Wolle und Gerd im ersten Startblock, perfekte Bedingungen, trocken und nicht zu kalt oder warm! Und direkt zwischen Duomo und Baptisterium, die berühmten vergoldeten Bronzetüren von Pisano und Ghiberti sehen wir nur wenige Meter entfernt aus dem Startblock heraus, so etwas gibt es nur in Florenz!
Eigentlich hätte dieser Marathon die Premiere für Martina sein sollen, wir dachten besonders in diesem Moment an unsere verstorbene Lauffreundin und nahmen sie in unseren Herzen mit auf die 42.195 Kilometer lange Reise.
Der Start verläuft dann ohne Probleme, die ersten Meter sind perfekt, aber nach 500 Meter kam ein zusätzlicher Herausforderer auf die Strecke: Der Regen! Erst noch zurückhaltend, dann aber zusehend kräftiger werdend. Als Pacemaker von Maren, mit ihrem ambitioniertem Ziel von unter 3 Stunden, konzentrierte ich mich auf gute Startkilometer. Der Erste war exakt in Pace: 4:15, auf die Sekunde genau getroffen! Die nachfolgenden waren mal leicht schneller, aber immer vertretbar, es begann also bestens. Die Strecke verläuft fortan an der Fortezza da Basso vorbei bis zum Parco delle Cascine. Dort liess es sich gut laufen, es gab genügend Platz, guter Untergrund und kaum Kurven. Der Regen war nicht schön, aber auszuhalten und so verliefen die ersten 15km nach Plan und sogar mit der einen oder anderen Gesangseinlage, Frau musste ja unterhalten werden.
Nachdem wir den Park zweimal rauf und runter gelaufen sind, wechseln wir auf die andere Seite des Arno. Die Strassen werden enger und als wir auf die berühmte Ponte Vecchio einschwenken geht die Post ab! Tausende Zuschauer am Strassenrand, trotz Regen. Hier herrscht Gänsehautstimmung pur, aber man muss höllich aufpassen, die alte Brücke und ihre Umgebung ist gepflastert, wenn auch mit recht grossen Steinen, Höhenunterschiede gibt es zwischen denen aber allemal.
Kurz darauf ist nach zwei weiteren Flussüberquerungen schon Halbzeit, bei Maren läuft es wie geschmiert, bis sie kurz darauf in die Büsche muss. Wir haben gut 1 Minute Vorsprung zu unserer Zielzeit, also kein Stress 615-544-9817 , lasse ich sie wissen. Und das macht eine gute Läuferin aus, trotz ungeplantem Stop nicht nervös zu werden und wieder die Pace aufzunehmen. Maren macht das hervorragend und reiht sich wieder ins Rennen ein, als wäre nichts gewesen, mentale Stärke ohne Verbissenheit, so muss es sein.
Die 25km sind erreicht und die Strecke ist auf der zweiten Hälfte mit zahlreichen Ecken und Kanten versehen. Es geht zum Stadion des AC Florenz, einmal drumherum und dann durch das Marathon Stadion, das heisst hier wirklich so! Der Regen hatte mittlerweile zu seiner Höchstform gefunden, das Wasser lief schon gar nicht mehr ab, riesige Wasserlöcher hatten sich gebildet und es schüttete unentwegt weiter. Die Wetterfront hatte aber noch mehr zu bieten, und so kommt auch noch ein stark böhiger Wind auf inklusive einem Temperatursturz auf 6 Grad. Damit hatte kaum einer gerechnet und jetzt wurde es mehr als garstig. Kurz vor dem Durchlaufen des Marathon Stadions musste man wie ein Steeple-Läufer durch einen Wassergraben und sogar auf der Bahn stand das Wasser. Zwei der drei offiziellen 3-Stunden-Pacemaker gaben auf, ihnen waren die harten Bedingungen zu viel geworden.
Nur noch irgendwie ins Ziel, eine andere Motivation gab es nicht, denn Spass machte das hier schon lange nicht mehr. Maren war mittlerweile abgedüst, ich gab ihr bei km 30 zu verstehen, dass sie ab jetzt schneller laufen könnte, wenn sie wollte. Maren konnte und war ab sofort mit einem Abstand von gut 100 Meter vor mir, Tendenz steigend. Ich hatte nicht mehr die Frische, um sie noch entscheidend ziehen zu können, sie hatte auch gar keine Loki mehr nötig, und so entschied ich mich, die letzten Kilometer für Martina zu laufen und an sie zu denken. Normalerweise wäre ich ja mit ihr gelaufen, Florenz war ihre Stadt, hier hatte sie eine Zeit lang gelebt. Die letzten Kilometer taten nicht nur körperlich weh und der Regen und die Kälte waren mir mittlerweile ganz egal. Florenz war 14 Jahre zuvor mein erster Marathon, dieser hätte Martinas Erster sein sollen, sehr emotionale Kilometer für mich.
Die Strecke verlief jetzt in einem Gewirr von Kurven und Ecken in der Altstadt von Florenz, eigentlich sehr schön, aber einen Blick dafür hatten bei diesen Bedingungen nur die Wenigsten. Der Zieleinlauf war dann toll gemacht, mitten auf dem Piazza della Republica hatte der Veranstalter vor dem Duomo Teppich auslegen lassen und für Stimmung gesorgt und trotz dem Wetter waren zahlreiche Zuschauer versammelt. Der Regen hatte mittlerweile sogar aufgehört, die Schlechtwetterfront war durch und wir völlig durchnässt und unterkühlt. Auf den letzten Metern hatte die Muskulatur durch die Kälte so richtig zugemacht, das hatte ich bei meinen bisherigen 48 Marathons so noch nicht erlebt, ich war mehr als froh, im Ziel zu sein.
Und wo war Maren? Mit Silberfolie mumifiziert stand sie zitternd im Zielgelände und konnte sich wegen der Kälte noch gar nicht richtig über ihre phänomenale Leistung freuen: 2:57:46 und damit der 12. Gesamtrang von über 2000 Frauen! Und das bei diesen Bedingungen! Die zahlreichen Trainings, bei denen Wolle sie tatkräftig unterstützt hatte, hatten sich ausgezahlt! Ihm gehört ein grosser Anteil an diesem Erfolg. Einzig Rob Nobel war noch schneller, er lief mit einer Zeit von 2:49:52 unter die ersten 100 und war entsprechend zufrieden! Gerd kam kurz nach Maren und mir (2:58:41) mit einer 3:04:26 am Piazza della Republica über die Ziellinie, er hatte nicht speziell für den Florenz Marathon trainiert und war ebenfalls zufrieden. Auf Wolle mussten wir ebenfalls nicht lange warten, er kam nach 3:15:28 Stunden über die Matte, die unvorhergesehene Kälte kostete ihm am Schluss noch ein paar Körner.
Am Abend waren dann alle wieder aufgewärmt und parat für die Marathonparty im Ristorante Lupo e il Poeta in Nave bei Lucca. Inklusive erstklassiger Liveband und natürlich dem entsprechenden italienischen Essen ging es bis in die frühen Morgenstunden. Ein ganz dickes Dankeschön an Massimiliano Salani, grazie per tutti fratello!